Borjomi – auf den Spuren des Wassers

Eine Bahnfahrt, die ist lustig.

Unseren ersten Ausflug von Tbilisi unternahmen wir nach Borjomi, einem Kurort circa 4 Stunden Bahnfahrt entfernt von der Hauptstadt gen Schwarzes Meer liegend. Auf unserer Liste stand Borjomi nicht in erster Linie wegen der tollen Landschaft – denn da wussten wir noch nicht, dass wir von dem satten Grün der bewucherten Berge so begeistert sein würden – sondern wegen des gleichnamigen Mineralwassers Borjomi. Dieses wird dort in mitten eines Nationalparks aus mehreren Wasserquellen gewonnen und die Abfüllfabrik wurde schon im Jahre 1906 durch den Großfürst Nikolai Michailowitsch Romanow in Betrieb genommen. Das Wasser ist sprudelig und leicht salzig und eignet sich somit laut Anton perfekt als „Hangover“-Wasser. Wir beide trinken es sehr gerne – auch ohne Kater – weshalb wir uns seinen Ursprungsort unbedingt mal anschauen wollten. Also bestiegen wir um 6 Uhr früh einen alten, klapprigen Pendlerzug mitsamt der Landbevölkerung Georgiens und fuhren vier Stunden lang mit gemächlicher Geschwindigkeit vorbei an kleinen Dörfer, die verschlafen inmitten grüner Berge und umzingelt von reißenden Flüsse lagen.

Erinnerungen an eine andere Ära.

In der knapp 11.000 Einwohner Stadt angekommen, zog ich mir als Erstes eine lange Hose an, da der Temperaturunterschied vom warmen Tbilisi zum ländlichen Borjomi mir sofort eine Gänsehaut verursachte. Wärmer eingepackt machten wir uns auf den Weg Richtung Eingang des Nationalparks. Nur wenige Menschen waren auf den Straßen zu sehen, vor manchen alten Häusern saßen ihre ebenso alten Besitzer gezeichnet vom Leben und schauten in die Ferne, ab und zu fuhr ein laut dröhnendes rostiges Sowjet-Auto an uns vorbei und im Allgemeinen wirkte alles noch recht untouristisch und verlassen. Für Manche auf den ersten Blick vielleicht eine Enttäuschung, für mich der perfekte Ort, um in Ruhe den Zerfall eines wunderschönen Landes zu dokumentieren. Aus dem Land der Ordnung stammend faszinierten mich die selbst zusammengeschusterten Bauten aus verblichenem Holz. Abblätternde Farbe, wild wuchernde Pflanzen, Bauruinen, aus anderen Zeiten stammende Ladenschilder – meine Kamera klickte wie verrückt. Dennoch unterhielten Anton und ich uns darüber, dass es schade sei, dass in den ehemaligen Sowjetländern so viel kulturell Wertvolles dem Zerfall überlassen wird und stattdessen oft eher in unglaublich geschmacklose Neubauten investiert wird.

Ländliche Idylle

Der Park an sich bestach mit unglaublicher Natur: hohen Kiefern, kleinen Wasserfällen, Farnen, mit Moos bewucherten Felsen und der von überall zu bewundernden Bergkulissen. Über eine einem Wes Anderson Film entsprungen zu sein historische Seilbahn, die von einem georgischen Urgestein mit großem Schnauzbart und tiefen Falten bedient wurde, gelangten wir an den Eingang des Parks hoch über der Stadt. Unser Ziel waren heiße Quellen, bei denen wir einen kurzen Badestopp einlegen wollten. Letztendlich hat uns die Wanderung, bei der uns stets ein paar Kühe des Weges begleiteten, deren Glockenklingeln wir immer schon mehrere Meter zuvor vernahmen, jedoch mehr begeistert als die Quellen. Diese waren in sauberen Becken und an einem Fluss umrahmt von einem Steilgebirge zwar schön gelegen, die Beschreibung „heiß“ war jedoch eher relativ ausgelegt.

Kochen für die Ehre.

Auf unserem Rückweg machten wir noch Halt in einem kleinen Restaurant, das in der einzigen touristischen Straße Borjomis gelegen war. Neben Souvenirläden, verdienten sich die Stadtbewohner anscheinend mit Khinkali & Co. ihren Lebensunterhalt. Das Gute in Georgien ist – egal wie klein, unscheinbar und abgelegen ein Restaurant ist – das Essen ist einfach immer gut. Georgier sind sehr stolz auf ihre Familienrezepte, fast jede Familie stellt ihren eigenen Wein her und wenn gekocht wird, dann aber auch richtig. Hier geht es nicht nur um das liebe Geld, sondern um die Ehre. Der Herd scheint nur mit Herz bedient zu werden und das schmeckt man auch raus. Somit endete auch dieser Ausflug in kulinarischer Zufriedenheit.