Take me to the Countryside
Am ersten Weihnachtstag wachen wir morgens noch in dem Haus mit Meerblick auf und befinden uns ein paar Stunden später schon auf einer Guaven-Farm im Inneren des Landes. Zwischen Weihnachten und Silvester haben wir uns hier in Paarl für ein paar Tage zum Entspannen eingebucht. Zu den Seiten der langen Einfahrt stehen die Guavenbäume in Reih und Glied und erleuchten die ansonsten trockene Gegend in einem dunklen Grün. Der Platz vor dem Hauptgebäude der Farm ist mit riesigen Eichen gesäumt, an denen Regenschirm große Monstera-Blätter emporranken. Schmunzelnd muss ich an die Bezeichnung „Aufsitzerpflanze“ denken, die meine Mutter in etlichen Wanderungen durch die Regenwälder dieser Welt in fast jedem Satz benutzt hat. „Guckt mal Kinder, eine Aufsitzerpflanze!“, klingt es imaginär in meinen Ohren. Diese Aufsitzerpflanze ist aber auch wirklich gigantisch, denke ich und werfe meinen Kopf in den Nacken, um mich an ihr satt zu sehen. Wir werden herzlich begrüßt von der Tochter des Hauses, die uns unsere Unterkünfte in ehemaligen Pferdeställen zeigt. Trotz der draußen herrschenden Hitze ist es in den gut isolierten Zimmern angenehm kühl und ich lasse mich auf dem weiß bezogenen Bett nieder und schaue an die mit Bambus verkleidete Decke. Die Wände sind in einem tiefen Rot gestrichen und der Landhausstil ist vom Sessel aus Bast bis hin zu dunklen Holzbalken authentisch umgesetzt.
Wir treffen uns mit Hannah und Michel am Pool und bestellen uns beim Barmann alle einen Gin Tonic. Ganz nach der „Barman’s Choice“ mit Blaubeeren und Zitronenthymian, Gurke und Basilikum und Himbeere mit Zitrone. Die Farm ist wirklich liebevoll gestaltet und hat einen familiären Charakter. Neben der Tochter der Besitzers helfen hier nämlich auch ihr Bruder und die Mutter aus. Eine holländische Familie, die sich hier ihren Lebenstraum erfüllt hat und Südafrika voll und ganz verfallen sind. Vor 10 Jahren sind sie hergekommen und haben die marode Farm wieder auf Vordermann gebracht, erzählt uns Daan bei seiner Farm-Führung am Abend. Uns und 12 anderen Gästen, die entweder Deutsche oder Holländer sind, erzählt er mit holländischem Akzent alles über die Farm. Wie sie in Zusammenarbeit mit der Fluggesellschaft KLM eine Bambusplantage im Rahmen des Kyoto-Protokolls für ein besseres Klima errichtet haben, wie ihnen die Wasserknappheit zu dieser Zeit zu schaffen macht und dass ein großer Abnehmer der Farm Coca-Cola ist, da der Guavensaft eine der Geheimzutaten des weltweit bekannten Erfrischungsgetränkes ist. Die Tour endet unter Eichenbäumen mit einem Wine-Tasting, bei welchem wir die unverkäuflichen Weine des Multimillionärs Gregory Olsen testen. Dieser ist nämlich ein Nachbar des Leeuwen Hofs und hat seinen Wein, den er eigentlich nur für sich selbst und für Charity-Zwecke anbauen lässt, den Besitzern für ihre Gäste zur Verfügung gestellt. Zu dem Cabernet Sauvignon und dem landeseigenen Pinotage erzählt uns Daan noch eine surreale Geschichte. Gregory Olsens Traum war es, seinen eigenen Wein einmal im Weltall zu trinken. Nachdem er bei Obama mit seinem Vorhaben abgeblitzt war, ist er bei Putin auf Zustimmung gestoßen. Kein Wunder, denn für 9 Tage Wine-Tasting im All, bezahlte er 20 Millionen Dollar. Leicht benebelt von so viel vorzüglichem Wein begeben wir uns mit der Gruppe an das Lagerfeuer am Pool, wo heute Abend gegrillt wird. Zuerst gibt es Lammkoteletts in Salzkruste auf die Hand, danach eröffnet eine Anti-Pasti Platte das 3-Gänge Menü. So sitzen wir bis spät in die Nacht am prasselnden Feuer, über uns der Sternenhimmel, genießen das Essen und führen anregende Gespräche mit der Tochter des Hauses. Dabei schalte ich total ab, entspanne mich, bin im Hier und Jetzt und genieße die ländliche Entschleunigung.
Am nächsten Tag gibt es nach einem Frühstück mit frischem, hauseigenen Guavensaft eine Big 5 Wine Safari, an der auch wir teilnehmen wollen. In einem offenen Geländewagen fahren wir mit Daan von Weingut zu Weingut, immer von ewig weiten Weinfeldern und den Bergen in der Ferne umgeben. Der Wind weht uns angenehm wie ein Föhn um die Ohren und unser erster Stopp führt uns auf die Weinfarm „Mellasat“ eines Engländers, der den ersten weißen Pinotage produziert hat. Während wir in seinem Weinkeller stehen, erzählt er uns, dass die rote Rebsorte Pinotage, eine Mischung aus Sinsault und Pinot Noir, hauptsächlich in Südafrika angebaut wird. Die Traube des Pinotage ist von außen rot, hat jedoch helles Fruchtfleisch und wird durch einen speziellen Verarbeitungsprozess als Weißwein hergestellt. In seinem Garten, im Schatten mächtiger Bäume testen wir seine Weine, begleitet von einer leckeren Käseplatte und genießen das süße Leben. Danach fährt uns Daan noch zu dem, besonders in Deutschland bekannten Weingut „Nederburg“, das auf eine lange Tradition zurückschaut und aus mehreren großen Gütern zusammengesetzt ist. Auch die hiesigen Weine schmecken natürlich sehr gut, die Atmosphäre ist jedoch etwas unfamiliärer als noch auf Stephens Weingut zuvor. Zwei Wine-Tastings an einem Tag sind vollkommen ausreichend, denke ich in meinem Weinrausch. Danach bin ich froh, dass Daan uns wieder zurück zum Leeuwenhof bringt und wir den Rest des Tages unter den Bougainvillea- Büschen am Pool verbringen können. Dort verfalle ich schnell nach ein paar Seiten meines Buches in einen tiefen, zufriedenen Mittagsschlaf.