Woodstock, unsere neue Heimat auf Zeit

Der Name Woodstock erinnert an das allseits bekannte Hippie- Festival von ´69 , ist aber auch ein Stadtviertel von Südafrikas zweitgrößter Stadt Cape Town. Am Fuße des Tafelberges gelegen erstreckt sich das ehemalige Arbeiterviertel bis hinunter zum Hafen. Das hohe Gefälle der Straßen lässt mich an San Francisco denken und auch die kleinen Cafés und Vintage-Läden tragen insgesamt zu einem sehr hippen Flair bei. Mit unserem Mietwagen kommen wir über Umwege in unsere neue Wohngegend, was uns aber auch den Unterschied zwischen dem unteren, eher noch heruntergekommenen Hafengebiet Woodstocks und dem oberen, von Kreativen eingenommenen, herausgeputzten Viertel erkennen lässt.

Cape Town ist eine Stadt der Unterschiede – ein Spagat zwischen unvorstellbar arm und unvorstellbar reich. Da wir genau die Rush Hour auf den High Ways erwischt hatten, prägten sich die zu beiden Seiten liegenden Town Ships nahe des Flughafens mehr in unser Gedächtnis, als wir sie vielleicht mit hoher Geschwindigkeit aufgenommen hätten. Während der Verkehr nur stockend voranging, liefen Menschen mit allerlei Gegenständen bepackt barfuß über die Schnellstraße. Auch wenn das Straßenbild unserer Wahlheimat Berlin sicherlich mehr Obdachlose aufweist, als in anderen Städten Deutschlands, ist die hiesige Armut nicht annähernd damit zu vergleichen. Die „besseren“ Town Ships sind die, in denen Elektrokabel über den dicht bebauten Wellblech-Hütten hängen. Elektrizität, fließend Wasser – keine Selbstverständlichkeit. Je weiter wir in die Stadt vordrangen, vorbei an Pick-ups, auf deren Ladeflächen sich bis zu zehn Arbeiter tummelten, desto mehr ließ auch das bedrückende Gefühl beim Anblick dieses Lebensstandards nach und die Vorfreude stieg.

Die Straße in der wir hier nun ein Zuhause auf Zeit gefunden haben, beherbergt eine Farbpalette an kleinen Häuschen, deren Vorgärten in voller Blüte stehen. Von unserem Cottage aus, welches ein herrliches „Ich komme grad vom Strand“-Gefühl ausstrahlt, hat man einen direkten Blick auf den Tafelberg. Die kleine Terrasse ist umsäumt von Kakteen, die gerade anfangen zu blühen und im Innenhof unseres Vermieters wächst sogar ein prächtiger Zitronenbaum, von welchem er uns ein paar Früchte direkt zum Abendessen dazugegeben hat. Jabu, der Hund des Hauses schmiegt sich, zufrieden dank der vielen Streicheleinheiten, an meine Beine und in mir steigt das Gefühl auf, dass wir hier eine schöne Zeit verbringen werden.

Nachdem der Inhalt unserer Koffer im Schrank verstaut wurde, machen wir unseren ersten Spaziergang durch unser neues Viertel. In den Bäumen zwitschern die Vögel und die Sonne lacht uns ins Gesicht. Auf den Gehwegen laufen Hundebesitzer mit ihren pelzigen Freunden, ein Jogger überholt uns schwer atmend und ein paar Jungs machen ihre ersten Versuche mit dem Skateboard. Da uns beiden der Magen knurrt, nehmen wir in einem am Hang gelegenen Café Platz und es gibt für wenig Geld die leckersten Sandwiches sowie einen Chai Latte. Die Café-Besitzerin schneidet gerade ein paar Protea-Blüten zurecht, die sie ebenfalls zum Verkauf anbietet. Die mächtige, rot bis rosafarbene Blume ist die Nationalblume Südafrikas und lässt mich schon von großen Bouquets in unserem Cottage träumen. Die Kellner sprechen mal Afrikaans, mal Englisch miteinander und generell scheint unser Viertel sehr vielfältig zu sein. Menschen jeder Hautfarbe sind hier unterwegs; bärtige Männer auf Harleys, afrikanische Muttis mit Kleinkindern an der Hand, Kleinbusse voller Arbeiter, tätowierte Hipster und edel angezogene Frauen in High-Heels.  Die Straßengeräusche verschwimmen mit denen der Kaffeemaschine und Paul und ich lächeln uns an – das was wir solange geplant hatten, ist nun endlich wahr geworden.